Der du von dem Himmel bist by Rudolf Stratz

Der du von dem Himmel bist by Rudolf Stratz

Autor:Rudolf Stratz [Stratz, Rudolf]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-11T00:00:00+00:00


XI

„Du hast doch die Masern schon gehabt, Hedwig?“ frug am nächsten Nachmittag Professor Riedinger und steckte dabei nur eben seinen Kopf durch die Türspalte in Hedwigs Zimmer. Und sie fuhr aus ihren Gedanken auf: „Die Masern? — ja natürlich ... schon als Kind ... Guten Tag, Hermann ... komm doch herein!“

Dabei ging sie ihm entgegen. Aber er wehrte ihr, indem er eintrat. „Nein — nein — zehn Schritt Distanz auf alle Fälle. Ich hab’ hier in der Nachbarschaft ein paar kranke Kinder liegen ... aber ich wollte dir doch rasch wenigstens Guten Tag sagen ... ich muss gleich weiter ...“ Er setzte sich an der Türe hin, im Mantel, den Hut in der Hand, und Hedwig blieb, wie er es gewollt hatte, fern ab von ihm stehen. Und in der Stimmung, in der sie sich befand, war ihr das ein Gleichnis. So wie da durch den Raum, so waren sie auch seelisch voneinander getrennt. Es war etwas dazwischen ... eine Krankheit ... ein Fieber ... das wich und wankte nicht ...

Das ahnte er ja wohl. Sie wusste es. Aber äusserlich liess er sich nichts anmerken. Da war er ganz unbefangen heiter und gut zu ihr. Seine angeborene Spottlust und Schärfe, die sonst auch sie nie verschont hatte, war ganz geschwunden. Er behandelte sie so liebevoll, so still und freundlich, wie man mit einer Patientin umging, die erst allmählich unter pflegenden Händen genesen sollte. Und sie sehnte sich ja selbst so nach Heilung des Herzens. Sie war ihm so dankbar dafür. Das war so recht seine Art — die des Arztes und die des Menschen, dass er nicht forschte: Warum leidest du? — sondern sagte: Du leidest — also will ich versuchen, dir zu helfen! — Und seine Nähe tat ihr so wohl. Seine wortlose, nur einmal durch ein kameradschaftliches Kopfnicken, einen freundlichen Blick bekräftigte Zuversicht, dass noch alles gut werden würde, ging dann auch auf sie über. Sie konnte wieder hoffen. Sie konnte sogar lachen und ganz vergnügt sein, wenn das auch nur Schaum auf der Oberfläche ihres Wesens blieb ... und darunter am Grunde ... schwer, unverrückbar ... lag das Geheimnis ... schwieg das Unsagbare ...

Und während sie über allerhand — immer durch die Breite des Zimmers getrennt — miteinander plauderten und ihre Lippen sich bei seinem trockenen ironischen Bericht über ein Abenteuer mit einem auswärtigen Kollegen — einem Riesenrindvieh, wie er sagte — in flüchtiger Heiterkeit kräuselten, ruhten ihre grossen grauen Augen tief ernst auf ihm und es ging ihr durch die Seele: Muss ich es ihm denn aber nicht gestehen — lieber heute noch als morgen? verrate ich ihn denn nicht mit jedem gleichgültigen Wort und Lachen? — Ich habe ihm doch nur die halbe Wahrheit gesagt — dass ich ihn nicht so, sondern anders liebe als er mich — die andere Hälfte — das sollte ja für mich keine Wahrheit sein — das wollte ich ja niederkämpfen — aber wenn das stärker ist als ich — bin ich ihm da nicht auch dieses Geständnis schuldig — jetzt noch, zur Stunde .



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